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Football in the Rollstuhl


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    Als am 13. Februar 2023 der Kick­off zum 58. Super Bowl zwischen den Kansas City Chiefs und den Phila­delphia Eagles erfolgte, war das nicht das erste Finale, das in jenem Monat in Phoenix, Arizona, stattfand. Ein paar Tage vorher hatte es bereits einen anderen Super Bowl im American Football gegeben. In diesem viel weniger beachteten Finale spielten ebenfalls zwei Teams mit bekannten Logos aus der National Football League (NFL) auf dem Helm; nämlich die Los Angeles Rams und die Kansas City Chiefs, die mit 7:0 gewannen.

    Gespielt wurde dieser Super Bowl 2023 allerdings nicht in einem Stadion, sondern auf einem Parkplatz. Und alle Spieler waren Rollstuhlfahrer. Es handelte sich nämlich um den zweiten Super Bowl der Wheel­chair Football League, kurz WFL oder USAWFL, ganz einig ist man sich beim Namen nicht. Die NFL, die Bob Woodruff Foundation für Veteranen und Move United, eine Organisation, die den Behindertensport fördert, hatten diese Liga in den Jahren 2019 und 2020 gegründet und aufgebaut. 2021 fand die erste Saison statt. Die zweiten Saison hatte ihren Höhepunkt mit dem Super Bowl auf einem Parkplatz in Phoenix, in ihr spielten elf Teams mit insgesamt etwa 400 Athleten die Meisterschaft aus. An den gerade in die dritte Saison gestarteten Wettkämpfen sind schon 13 Mannschaften beteiligt.

    Die meisten von ihnen sind mit dem NFL-Team aus der jeweiligen Gegend assoziiert und tragen deren Trikots, Helme und Logos. Und wo es kein Team der National Football League gibt, wird kurzerhand ein ­eigenes geschaffen und im weiteren Sinn an alte Tradition angeknüpft. Das ist zum Beispiel in Birmingham, Alabama, der Fall. Hier war bereits ein Team mit dem Namen Hammers aktiv. Das spielte allerdings nicht Football, sondern Viertliga-Fußball und stellte 2018 den Betrieb ein. Nun führt das Wheelchair-Football-Team der Stadt diesen Namen.

    Geblockt wird, indem man den eigenen Rollstuhl in den Weg stellt, den ein Gegner gerne nehmen würde.

    Rollstuhl-Football wird auf einem 60 Yards (knapp 55 Meter) langem Feld mit einer Breite von 22 Yards (rund 20 Meter) gespielt. Die Endzonen sind acht Yards, also 7,3 Meter, tief. Bei jedem Spiel sind sieben Spieler einer Mannschaft auf dem Feld. Die Regeln sind so gehalten, dass sie möglichst nah an denen der NFL bleiben. Das bedeutet vor allem, dass Rollstuhl-Football eine Vollkontakt-Sportart ist – auch wenn es aus Sicherheitsgründen ein paar Einschränkungen darin gibt, wie die Spieler ihre Körper und ihre Stühle einsetzen können, um die Gegner zu behindern.

    Dass es diese Einschränkungen in den Regeln gibt, heißt aber nicht, dass der Sport weniger hart wäre. Wie beim American Football üblich, krachen die Spieler ineinander und fallen manchmal auf den Boden. Gespielt wird allerdings meistens auf Asphalt und nicht auf weichem Kunstrasen. Das bedeutet, dass an der Seitenlinie nicht nur die Spieler, sondern auch ihre Rollstühle versorgt werden müssen.

    In einem Artikel der New York Times erinnert sich Tim Wade, der Head Coach der Buffalo Bills, an das erste Spiel seiner Mannschaft im Jahr 2021 gegen Los Angeles – und daran, wie unvorbereitet man damals war: »Wir waren in einer Aufstellung, bekommen den Kickoff und legen los, und diese Jungs, die stürzten, haben unsere Rollstühle zerstört.« Die Folge war eine Auszeit. Jemand fand einen Hammer, und die Rollstühle wurden wieder in Form gebracht.

    Ganz so hart geht es aber gewöhnlich nicht zu. Gegenspieler müssen den Spieler mit dem Ball nicht tackeln und aus dem Stuhl kippen, um einen Lauf zu stoppen. Es genügt, den Gegenspieler mit beiden Händen am Oberkörper zu berühren. Trotzdem kommt es vor, dass ein Spieler umkippt – gerade wenn er sich strecken muss, um einen Ball zu fangen. Geblockt wird, indem man den eigenen Rollstuhl in den Weg stellt, den ein Gegner gerne nehmen würde. Hier kann es dann eben schon mal zu einem verbogenen Rahmen kommen. Und weil es schwierig ist, in einem Rollstuhl um einen anderen herumzukurven, wie man das als Zuschauer im Football mit laufenden Spielern zu sehen gewöhnt ist, ist das Blocken gerade im Team zu zweit oder zu dritt erstaunlich effektiv.

    Wer es mag, American Football wegen der strategischen Elemente und Entscheidungen des Coaches zu schauen, kommt bei Spielen der USAWFL auf jeden Fall auf seine Kosten. Zwar ist die Videoqualität von auf Youtube zu findenden Spielen nicht immer die beste. Manchmal ist es unerlässlich, ein paar Minuten nach vorne zu spulen und den Auftakt zu verpassen, weil die Kamera noch aufgebaut wird, hin- und herwackelt und von einer Rolle Gaffer-Klebeband mehr zu sehen ist, als es Aktivitäten auf dem Spielfeld gibt. Aber ist eine derartige Anfangsphase einmal überwunden, lässt sich der strategische Teil des Spiels genießen: Blitzer auf dem Weg zum Quarterback, eine defense, die teils gegen den Mann, teils in der Zone spielt, interceptions und receptions. Das Laufspiel (oder heißt es bei den Stuhlfahrern Rollspiel?) gibt es zwar fast nur in der Ausprägung des quarterback draw, dem Vorstoß des Spielmachers, aber das liegt auch an der verringerten Spielerzahl.

    Überhaupt sind die Veränderungen gegenüber dem Stadion-Football gut gewählt. Durch das kleinere Spielfeld haben weniger Spieler dort Platz, klar. Aber die Verkleinerung wiegt auch auf, dass die Quarterbacks den Ball nicht so hart werfen können – das geht im Sitzen eben nicht ganz so. Heraus kommt ein interessantes Spiel, das nicht nur ein Abklatsch des Originals ist, sondern ganz eigene Reize offenbart.

    Zum Beispiel nimmt ein Rollstuhl eine gewisse Fläche ein, in die kein Gegenspieler hineinfahren kann. Damit können echte Bogenlampen, die quasi senkrecht herunterfallen, zu einer durchaus gezielten Ange­legenheit werden – im Gegensatz zum Football im Stadion, bei dem diese Würfe als zu risikoreich gelten, weil der Gegner eine genauso hohe Chance hat, den Ball zu fangen, wie der Spieler des eigenen Teams. Und field goals, die mit dem Fuß erzielt werden, gibt es einfach nicht.

    Das Geschlecht ist im Rollstuhl-Football nicht relevant.

    Die Spieler müssen mindestens 18 Jahre alt, die körperliche Behinderung dauerhaft und objektiv nachweisbar sein und zumindest die Funktion der Beine so weit einschränken, dass Rennen, Drehen, Blocken oder Tackeln bei einer Geschwindigkeit, die im Football normalerweise vonnöten wäre, nicht möglich ist. Und man muss in der Lage sein, an wöchentlichen Trainings und an den Veranstaltungen der USA Wheelchair Football League teilzunehmen. Das Geschlecht ist im Rollstuhl-Football nicht relevant.

    Gespielt wird in der Liga nicht im traditionellen Modus regelmäßiger Spieltage. Stattdessen wurden für die Saison 2023 vier mehrtägige Turniere geplant, zu denen jeweils acht der 13 Teams zusammenkommen und ihre Spiele bestreiten. Hintergrund sind logistische Probleme, insbesondere die Schwierigkeiten, die entstehen, wenn größere Gruppen von Rollstuhlfahrern passende Plätze in Flugzeugen oder Hotels bekommen müssen, ohne dass ein Budget zur Verfügung steht, wie es in den großen Sportligen auf der Welt üblich ist.

    Die USAWFL ist nicht die erste American-Football-Veranstaltung mit Rolli-Fahrern. American Football im Rollstuhl hat Tim Nugent im Jahr 1948 entwickelt, für Wettkämpfe der American Association of Adapted Sports Programs (AAASP) in ­Atlanta, Georgia. Diese Sportart unterscheidet sich aber in einigen wichtigen Aspekten von der der USAWFL: Zum einen wird auf Basket­ballfeldern gespielt, zum anderen ist die Sportart auch für solche Athleten zugänglich, die einen oder beide Arme nicht nutzen können.

    Spieler können hier sowohl in handbetriebenen als auch in motorisierten Rollstühlen teilnehmen, ­insgesamt gibt es drei verschiedene Level mit unterschiedlich angepassten Regeln. Spieler des Levels 1 haben volle Kontrolle über ihre Arme und Hände und sind nicht in ihrer Sicht eingeschränkt, entsprechen also weitgehend den Anforderungen an die Spieler der USAWFL. Spieler des Level 2 haben eingeschränkte Arm- und/oder Handbewegungen oder Einschränkungen in der Sicht, während Spieler des Level 3 keine Armbewegungsfähigkeit haben und/oder nur sehr limitierte Sicht haben. Und pro Team sind auch nur sechs Spieler auf dem Feld.

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    Author: Amber Nash

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